Das spanische Innenministerium schaffte für das Jahr 2019 die Möglichkeit, dass einige deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte im Rahmen der Umsetzung des „Plan Turismo Seguro“ (Europäische Kommissariate) in Spanien Dienst versehen. Besonders in den Regionen Santiago di Compostela, Mallorca, Ibiza und Cádiz wird um die Unterstützung der deutschen Polizei gebeten.
Für mich folgte nach der Bewerbung ein Auswahlverfahren beim Ministerium des Innern Nordrhein-Westfalens (IM NRW) und eine telefonische Vorstellung mit Sprachtest beim spanischen Botschafter in Berlin. Ich erhielt nach kurzer Zeit den Zuschlag für meine Wunschdienststelle Cádiz, was mich stolz machte.
Die Region Cádiz
Die Region Cádiz liegt im Süden des spanischen Festlandes und ist eine von acht Andalusischen Provinzen. Südlich der Stadt Cádiz liegt Chiclana de la Frontera. Sie hat etwas mehr als 80.000 Einwohner und wächst im Sommer wegen des Tourismus und der wunderschönen Strände auf das Dreifache an. Hier sollte mein Einsatzgebiet sein.
Vorbereitung auf den Auslandseinsatz
Als erste Polizeibeamtin der Polizei Rhein-Sieg-Kreis erhielt ich die Gelegenheit, an dem Programm der Europäischen Kommissariate teilzunehmen. Durch meine Behörde bekam ich jegliche Form der Unterstützung, was mich sehr gefreut hat. Die erforderlichen Flüge wurden für mich gebucht und der Waffentransport bei der Fluggesellschaft angemeldet.
Gemeinsamer Dienst mit der Guardia Civil
Am Flughafen in Jerez de la Frontera wurde ich von Kollegen der Guardia Civil herzlich empfangen und zu meiner Unterkunft, einem einfachen aber sauberen kleinen Hostel gebracht, wo ich mein Gepäck abstellte. Danach fuhren wir zum Polizeigebäude der Guardia Civil und ich wurde dem Leiter der Einheit vorgestellt. Hier erhielt ich eine Einweisung in das dienstliche Procedere, meinen Dienstplan und eine Übersicht der acht Hotels, in denen ich während meines Aufenthaltes verpflegt würde. Diese Hotels befinden sich außerhalb der Stadt, knapp 10 km von der Wache der Guardia Civil entfernt. Um täglich diese Strecken zurücklegen zu können, stellte man mir einen Zivilwagen zu Verfügung. Meinem Handy sei Dank hatte ich eine GPS-App, die mich vom ersten Abend in der Lage versetzte, durch die zunächst unbekannte Stadt zu navigieren.
An meinem ersten Dienst-Tag in Spanien wurde mir die Ehre zuteil, mit dem Dienststellenleiter aus Chiclana nach Cádiz zu fahren, wo ich dem Coronel von Cádiz, Alfonso Rodríguez, dem Bürgermeister und einem hohen Beamten der Regierung vorgestellt wurde. Dort traf ich auch den deutschen Konsul, Marc E. Schmelcher, und Vertreter der örtlichen Presse. Das Treffen war von Freundlichkeit und Willkommensgrüßen getragen.
Durch die Presseveröffentlichungen wurde ich später mehrfach im Einsatz wiedererkannt und angesprochen. Der Pressebericht wurde darüber hinaus in die deutsche Sprache übersetzt und in den Hotels ausgelegt, so dass mein Bekanntheitsgrad auch bei den deutschen Touristen stieg.
Mein Dienstplan sah fünf Arbeitstage in der Woche vor. Ich arbeitete im Früh-, Spät- und Nachtdienst. Mein Streifengebiet war vornehmlich der Strandbereich, an dem viele Hotels liegen und somit die meisten Touristen leben. Im Rahmen der Fußstreifen im Strandbereich wurde ich in der deutschen Uniform intensiv wahrgenommen und erkannt. Immer wieder wurde unsere gemischte Streife angesprochen und häufig fotografiert. Die Reaktionen der Spanierinnen und Spanier und der deutschen Touristen waren durchweg positiv. Bei den Deutschen variierten sie von Erstaunen und Bedenken, dass die deutsche Polizei eingesetzt würde, da sich einige Touristen nicht benehmen würden. Aber auch Erleichterung wurde geäußert, eine deutschsprachige Ansprechpartnerin zu haben, die sich mit beiden Rechtssituationen auskannte und Verfahren erklären könnte.
Besondere Einsätze mit Flüchtlingen
Eine neue und bislang unbekannte Einsatzform war für mich der Umstand, dass nicht selten Schlauchboote mit bis zu 30 illegalen Einwanderern aus Afrika ankamen. Natürlich ist Marokko nur 14 Kilometer vom spanischen Festland entfernt, doch sind solche Bilder, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, ungewohnt und befremdlich zugleich. Der Streifenbezirk verfügt lediglich über einen 10-km-breiten Küstenstreifen und liegt nördlich der Straße von Gibraltar an der Atlantikküste. Das Procedere mit den Geflüchteten ist dem in Deutschland sehr ähnlich. Alle werden erfasst - so gut es geht - Ausweisdokumente sind in den seltensten Fällen vorhanden. Danach werden sie vom Roten Kreuz mit Nahrung und Medikamenten versorgt. Stammen sie aus einem sicheren Land und die Identität steht fest, werden sie alsbald zurückgebracht. Wenn nicht oder sie sind minderjährig, beginnt das Asylverfahren. Da ich auch ein wenig französisch spreche, war es mir oftmals möglich etwas mehr über die Hintergründe der Flucht zu erfahren. Wenn hinter nüchternen Zahlen die Einzelschicksale deutlich werden, berührt das sehr.
Enger Kontakt zur spanischen Bevölkerung
Als einen der größten Unterschiede zum Streifendienst in Nordrhein Westfalen habe ich wahrgenommen, dass die Kolleginnen und Kollegen zu Anfang der Schicht in ihren Bezirk fahren und dort bis zum Ende bleiben. Gegessen und getrunken wird in verschiedenen kleinen Restaurants / Bars. In Andalusien ist es ganz normal, dass uniformierte Beamtinnen und Beamte an der Theke stehen und Kaffee trinken bzw. Essen zu sich nehmen. Daran erkennt die spanische Bevölkerung nichts Verwerfliches - im Gegenteil man sucht aktiv den Kontakt für Gespräche über vielschichtige Themen.
Ich bin dankbar für diese großartige Möglichkeit, über den deutschen Tellerrand hinaus die Polizeiarbeit in einem anderen europäischen Land kennengelernt zu haben. Im Zuge eines vereinigten Europas, in dem sich Probleme oftmals gleichen, empfinde ich das als außerordentlich wichtig. Ich hoffe daher, dass möglichst viele europäische Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit für einen Austausch bekommen und nutzen.