Im Rahmen der Europäischen Kommissariate werden Polizistinnen und Polizisten für ein- oder mehrtägige Einsätze in Frankreich gesucht. Unter anderem für die Escale à Sète. Das ist eine Art Treffen von Segelschiffen (Hochseetaugliche Drei- und Viermaster) in der südfranzösischen Hafenstadt Sète. Zu diesem Treffen werden über einen Zeitraum von drei Tagen rund 300.000 Besucher erwartet. Dazu muss man wissen, dass Sète selber nur rund 45.000 Einwohner hat.
Die französischen Kollegen hatten aufgrund der erwarteten Touristen aus dem Ausland einen Kollegen aus Deutschland und einen aus Spanien angefordert. Normalerweise arbeite ich im Polizeipräsidium Wuppertal im Streifendienst.
Die Anfahrt nach Frankreich habe ich mit dem eigenen Auto bewältigt. Wobei ich sagen muss, dass ziemlich genau 1100 Kilometer in zwölf Stunden schon grenzwertig sind. Rund zwei Stunden vor meiner Ankunft hatte ich mit meiner Ansprechpartnerin in Sète telefoniert. Es ist Madame Labbe. Ihre Funktion entspricht in etwa der eines deutschen Hauptwachenleiters. Sie ist sehr freundlich und hat mir mitgeteilt, dass ich nach meiner Ankunft zusammen mit dem spanischen Kollegen zu ihr nach Hause kommen soll. Sie würde uns dort zum Abendessen empfangen.
Kaum in Sète angekommen, suchte ich zunächst das Kommissariat auf. Das ist in etwa das, was in Deutschland eine Hauptwache ist. Die französischen Kollegen haben mich zunächst zum Hotel begleitet, damit ich dort erst mal mein Gepäck ausladen konnte. Von dort aus fuhr ich im Auto der Kollegen der BAC mit. Die BAC entspricht in Deutschland dem zivilen Einsatztrupp. Die Fahrt war äußerst kurzweilig. Es ist nämlich so: Straßenplaner machen sich bei der Gestaltung eines, sagen wir mal Kreisverkehrs, die Mühe und überlegen, wieviel Platz braucht ein Fahrzeug im Kreisverkehr, um eben selbigen so klein wie möglich zu bauen. Dieser theoretische Wert für ein Fahrzeug berücksichtigt jedoch nicht die Fahrweise einer französischen Zivilstreife. Im Kreisverkehr kann man nämlich innen überholen und unmittelbar vor dem überholten Fahrzeug den Kreisverkehr wieder verlassen. Wie ich später erfahren habe, ist die deutsche Serie „Alarm für Cobra 11“ bei den französischen Kollegen sehr beliebt. Offensichtlich wollte mich mein Fahrer mit seinen Fahrkünsten beeindrucken, was ihm auf eine sehr spezielle Art auch gelungen ist.
Einsatzleitstelle, Streifenwagen und Schießtraining auf Französisch
Der zweite Tag führte uns nach Montpellier. Dort befindet sich das Polizeipräsidium, das für den gesamten Bereich zuständig ist, zu dem auch Sète gehört. Adrian, der spanische Kollege aus Madrid, und ich wurden durch die Mitarbeiter der Pressestelle sehr freundlich empfangen. Man zeigte uns, wie die Leitstelle arbeitet und das elektronische Einsatzleitsystem, das dem in Deutschland sehr ähnlich ist. Anschließend konnten wir auf dem Schießstand noch mit der Maschinenpistole trainieren. Auch zeigte man uns die Streifenwagen, in denen eine spezielle Kamera eingebaut ist. Mit dieser werden die Kennzeichen der vorbeifahrenden Fahrzeuge erfasst und automatisch mit der Fahndungsdatenbank abgeglichen. Bei einem Treffer ertönt sofort ein akustisches Signal. Nach unserer Rückkehr gab es dann Pressetermine auf und vor den Segelschiffen.
Auf Streife im Hafen
Die nächsten drei Tage verbrachten wir mit Streife gehen im Bereich der Stadt und der Hafenanlagen. Sète selber trägt nicht umsonst den Beinamen „ Das kleine Venedig Südfrankreichs“. Die kleine Stadt platzte während des Osterwochenendes tatsächlich aus allen Fugen. Unglaubliche Menschenmengen schoben sich durch die Straßen und Gässchen der Stadt. Aufgrund der Verkehrssituation waren neben den einheimischen Polizisten auch noch Kollegen aus Perpignan und Montpellier eingesetzt. Dazu noch eine Hundertschaft Gendarmerie und zwei Teams der BAC aus Marseille. Außerdem natürlich die Police Municipale von Sète.
Die Fußstreifen gestalteten sich äußerst angenehm. Nicht einmal hörte ich eine Äußerung wie sie in Deutschland bei Menschenmengen üblich sind, wie z.B. „Grün weißer Partybus“, „Tolle Verkleidung“ „ Ey, die Bullen kommen“. Das einzige was ich hinter meinem Rücken gehört habe, waren Bemerkungen zu meiner Person: „Sieh mal, ein deutscher Polizeibeamter“. Von einigen Franzosen und Deutschen wurde ich dann auch angesprochen, was ich in Sète mache. Angestarrt haben mich fast alle. Ein Deutscher in Uniform und dazu noch bewaffnet ist eben in Frankreich immer noch etwas Außergewöhnliches.
Während unserer Kernarbeitszeit von 10 bis 19 Uhr gab es nur einen nennenswerten Zwischenfall. Ein sechsjähriger Junge kam abhanden. Er konnte aber nach rund 30 Minuten wieder aufgefunden werden. Auch abends, während der Livekonzerte zum Beispiel, kam es zu keinem Zwischenfall, der mit der Veranstaltung im Zusammenhang stand.
Französischer Traubensaft statt Wasser
Mittags konnten wir in einem großen Verpflegungszelt zu Mittag essen. Dabei kam es dann auch zu einem kleinen Zwischenfall. Durch die Bedienung wurden uns mehrere Wasserflaschen auf den Tisch gestellt. Dazu kamen aber auch einige Flaschen, die äußerlich wie die Wasserflaschen aussahen, jedoch mit einer roten Flüssigkeit gefüllt waren. Ich hatte mir das Etikett nicht genau angesehen, in dem Glauben einen Saft vor mir zu haben. Meine Vermutung mit dem Saft war grundsätzlich auch gar nicht falsch. Nur beim ersten Schluck musste ich feststellen, dass es sich um vergorenen Traubensaft handelte. Rotwein halt... Insofern erfüllen die Kollegen in Frankreich doch das Klischee, dass zum Essen ein Glas Rotwein dazugehört.
Deutsches Fahrzeug ohne Zulassung fährt auf französischen Straßen
Am dritten Tag konnte ich dann aber doch noch polizeilich tätig werden. Als uns die französischen Kollegen zum Hotel zurück fuhren, fiel mir ein geparktes Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen aus Hamburg auf. Da mir die Kennzeichen seltsam vorkamen, bat ich die Kollegen sich den Wagen mit mir zusammen anzuschauen. Es stellte sich dann folgendes heraus. Das Fahrzeug war seit Ende 2013 stillgelegt. Sein jetziger Nutzer hatte jedoch das TÜV-Siegel und die Zulassungsplakette komplett gefälscht und aufgeklebt, um eine Zulassung vorzutäuschen. Dass er bei einem Kennzeichen aus Hamburg ein Siegel des Landes Nordrhein-Westfalen verwendet hat, mag ja noch angehen. Dass er aber anstatt „Landeshauptstadt Düsseldorf“ „Bundesfilmstadt Düsseldorf“ und anstatt „Nordrhein-Westfalen“ „Innenrequisite Nordrhein-Westfalen“ auf das Siegel gedruckt hat, konnte er mir später auch nicht plausibel erklären. Den Franzosen ist das nie aufgefallen, da sie einerseits Deutsch nicht lesen können und andererseits mit dem deutschen Zulassungsrecht nicht vertraut sind.
Abschlussfeier der Escale à Sète
Am Ostermontag endete dann die Escale. Alle Schiffe verließen den Hafen und drehten eine Runde in der Bucht vor der Stadt. Gegen 18 Uhr war dann die „Patrouille de France“ angekündigt. Die meisten werden sie aus dem Fernsehen kennen, wenn diese Kunstflugstaffel der französischen Luftwaffe über die Champs-Elysees hinweg fliegt und die Farben der französischen Flagge in den Himmel malt. Genau das haben sie in Sète auch gemacht. Nach dem ersten Überflug hatten sie nochmal gedreht und haben die französische Flagge noch ein zweites Mal in den Himmel gemalt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die rund 30.000 Franzosen um mich herum begonnen die Marseillaise zu singen. Ein Moment bei dem einem ein riesen Schauer über den Rücken läuft. Am Tag darauf musste ich leider schon wieder die Rückreise antreten.
Fazit
Die französischen Kollegen sind alle ausgesprochen nett. Die Polizeiarbeit unterscheidet sich nicht von der in Deutschland. Außer vielleicht, dass es sich unter Palmen bei angenehmen Temperaturen beschwingter arbeiten lässt. Die Polizisten von heute haben nichts mehr mit dem „Gendarmen von Saint-Tropez“, welcher von Louis de Funés so herrlich gespielt wurde, gemein. Sie sind im 21. Jahrhundert angekommen, wenngleich sie sich ihr mediterranes „laissez faires“ bewahrt haben. Auch kann man sich den Fußweg zur Arbeit weitaus unangenehmer vorstellen, als immer schön unter Palmen am Strand entlang.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich für die entsprechenden Ausschreibungen der Europäischen Kommissariate zu bewerben. Es gibt diese nicht nur in Frankreich, sondern auch in Spanien. Ich würde es auf jeden Fall wieder machen. Bonne journée , mes collègues ;-)