Unter den Beamtinnen und Beamten ist Wolfgang Fischer aus Neuss der Pionier. Er war schon in der Pilotphase dabei, als das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) die Gruppe von 2006 bis 2008 aufgebaut hat. Der Polizeihauptkommissar hat seitdem viel erlebt. „Mich begeistert, wie sich die Tiere konzentrieren und ihren Weg finden können.“
Und doch verläuft die Suche nach Vermissten oder nach Straftätern längst nicht immer erfolgreich. Das Zusammenspiel von Mensch und Tier gestaltet sich komplex und überrascht den erfahrenen Hundeführer immer wieder. „Da kann noch viel erforscht werden.“
Das Geruchsbild eines Menschen ist ähnlich einzigartig wie sein Fingerabdruck oder seine DNA. Tausende von Hautschuppen verliert man in der Minute. Die Partikel verwirbeln sich, zersetzen sich bakteriell und legen eine individuelle Spur. Eine gut ausgebildete Hundenase kann sie verfolgen, auch wenn eine Unmenge anderer Düfte den Vierbeiner umwehen.
Bevor sich das Tier aufmacht, schnüffelt es an einem Geruchsträger, der der gesuchten Person zuzuordnen ist, zum Beispiel Unterwäsche. „Nicht jede Rasse ist für die Suche gleich gut geeignet“, erläutert Fischer. „Anfangs dachten wir über Bloodhounds nach. Wir haben uns aber für die kleineren Schweißhunde entschieden. Sie lassen sich besser händeln“, stellt der 60 Jahre alte Rheinländer fest. „Sie sind nur nicht immer zu bekommen.“
Die Familien der Hundeführerinnen und Hundeführer müssen die Leidenschaft für deren Arbeit mittragen. Der Job erfordert volles Engagement. 24-7-Rufbereitschaft. Schon mal ein Tag mit einem 16-Stunden-Einsatz. Das enge Agieren mit den Tieren zu Hause. Das alles müsse man wollen, sagt Wolfgang Fischer. Für ihn und viele seiner Kolleginnen und Kollegen hat das Ganze in all den Jahren nichts an Faszination eingebüßt.
Drängt die Zeit, steht für die Teams auch schon mal ein Hubschrauber bereit. Fischer beginnt, komplizierte Lagen mit seiner Miss Ellie zu trainieren. Die gut elf Jahre alte Schwarzwälder Schweißhündin verblüfft mit einer grandiosen Witterung. „Der kann ich nichts mehr erzählen. Eher erzählt sie mir noch was“, lobt er. Klar sei die Hündin nicht mehr die Jüngste. „Aber das ist kein großes Problem. Die Belastung hält sich in Grenzen. Sie ist gesund und will noch. Ich profitiere von ihrem siebten Sinn.“ Die Nase lasse ältere Hunde zuletzt im Stich.
Wenn Miss Ellie müde wird, übernimmt die achtjährige Wilma. „Die kann mühelos längere Strecken laufen.“ Paula ist erst ein Jahr alt „und braucht noch ein bisschen. Mit zwei oder zweieinhalb Jahren ist sie so gereift, dass es für sie losgehen kann.“ Bis sie Routine entwickelt hat, ist Fischer vielleicht schon nicht mehr im Dienst. Er hofft, mit seinem „Seelenhund“ Miss Ellie irgendwann in den nächsten Jahren in Pension gehen zu können.
Mantrailer suchen überwiegend nach dementen Personen oder Suizidgefährdeten, die plötzlich verschwunden sind. Aber die Polizei setzt sie auch auf die Spur flüchtiger Täter, die schwere Straftaten bis hin zum Mord begangen haben.
Fischer und seiner 30 Kilo schweren Partnerin gelang es beispielsweise, ein tragisches Eifersuchtsdrama mit aufzuklären. Eine junge Frau war in Niedersachsen vor der Haustür ihrer Eltern erstochen worden. Tatverdächtig war der Ex-Freund. Der Hundeführer aus NRW war zur Verfolgung hinzugezogen worden.
Miss Ellie roch an einem Strumpf des Gesuchten und nahm die Witterung quer durch den kleinen Ort auf, der sie schließlich zur Tür des mutmaßlichen Täters in einem Mehrfamilienhaus führte. „Die Indizienkette war damit geschlossen. Der Mann wurde später verurteilt“, berichtet Fischer.
Die Wege, die ein Hund im Einsatz zurücklegt, werden elektronisch aufgezeichnet, um den Ablauf zu dokumentieren. Die Geruchsfixierung muss unter den unterschiedlichsten Bedingungen geübt werden. Beim Training im LAFP stehen auch „Runner“ zur Verfügung, deren Spur aufgenommen werden muss.
Trainerin Nicole Frings motiviert Tier und Mensch immer wieder neu. „Die Übungen im Kreis der Kollegen dürfen nie langweilig sein“, hebt die Polizeihauptkommissarin hervor. „Weder für die Polizistinnen und Polizisten noch für die Vierbeiner."
Die Hunde kriegen hinterher auch Leckerlis, wenn sie ihren Job gut gemacht haben.“ Die Stärken und Schwächen der Teams bewertet die 51 Jahre alte Trainerin immer wieder neu. Die Leistung eines jeden soll nachhaltig optimiert werden. Genommen wird, wer sich engagieren kann und will. Das fängt bei den Welpen an. Und setzt sich bei der Auswahl der Beamten fort, die vorher als Diensthundeführer in den Kreispolizeibehörden überzeugt haben müssen.
„Niemand sollte sich von unseren Anforderungen abhalten lassen“, beruhigt Kriminalhauptkommissar Martin Stroop, der LAFP-Verantwortliche für das Mantrailing. „Wir brauchen Verstärkung, zumal in den nächsten Jahren Pensionierungen anstehen.“ Hospitierungswünsche, um erst einmal reinzuschnuppern, werden gern erfüllt. „Wir wollen auch den Pool an ,Runnern‘ erweitern“, so der Sachgebietsleiter. Sein Aufruf richtet sich an aktive oder im Ruhestand befindliche Angehörige des öffentlichen Dienstes.
Nicht ohne Stolz erinnert Stroop daran, dass die Teams aus NRW im vergangenen Jahr knapp 2.000-mal angefordert wurden. Die eingeschworene Truppe genießt hohes Ansehen und wird oft zur Unterstützung von anderen Bundesländern eingesetzt. „Wir werden immer besser“, heißt es selbstbewusst im Team.
„Nicht jeder Wunsch wird erfüllt“, hebt Nicole Frings hervor. „Manchmal macht es wirklich keinen Sinn, zu kommen. Dann beraten wir die Betroffenen.“ Es dürfe nicht zu viel Zeit vergangen sein, sonst sei die Spur verflogen. „Nach mehr als 36 Stunden wird es sehr schwierig“, erklärt sie. „Bei günstigen Bedingungen – kühles Wetter und viel Landschaft – kann jemand aber auch noch nach 50 Stunden gefunden werden.“
Eine Kreispolizeibehörde, die Mantrailer benötigt, wendet sich an die Landesleitstelle. Sie schaut nach, wer in der Nähe wohnt und schnell am Einsatzort sein kann. Dann entscheidet sie, welches Team eingesetzt werden soll.
Den Zusammenhalt untereinander und die Treffen schätzt Nicole Höpfner aus dem nahen Oerlinghausen sehr. Das helfe, wenn man mit dem Hund allein ist. „Wir achten genau auf dessen Signale. Aber letztlich entscheiden wir. Das Tier braucht Sicherheit und Vertrauen. Zaudern irritiert.“ Sie selbst operiert mit dem siebenjährigen Seppl. Der lasse sich schon mal ablenken und sei nicht leicht zu führen. Doch das, so die 54-Jährige, werde durch stetes Training besser und besser.“
„Wir sind immer bereit, Neues auszuprobieren“, findet Arne Hoffmann aus Leopoldshöhe.
„Wir werden hervorragend gecoacht, sprechen offen Fehler an und wollen uns alle weiterentwickeln. Das macht Freude.“
Arne Hoffmann, Spürhundeführer aus Leopoldshöhe
Den perfekten Hund gibt es nur in der Theorie. Jeder hat Stärken, die es auszubauen gilt, und Schwächen, die möglichst abgemildert werden sollten. Die Hunde führt man bei der Suche stets an der Leine. Sie tragen ein Geschirr, damit sie in ihrem Vorwärtsdrang nicht behindert werden.
Rainer Hergarten aus Wachtberg bei Bonn bildet ein Gespann mit dem sechs Jahre alten Cooper, einem Belgischen Schäferhund. „Der hat als typischer Schutzhund zwar genetische Nachteile, ist jedoch unglaublich motiviert. Manchmal will er allerdings zu viel.“ Seine 21 Monate alte Schweißhündin Finja lernt noch. „Sie hat sehr gute Suchanlagen. Bei ihr fuchse ich mich gerade richtig ein. Sie muss ganz anders als Cooper geführt werden“, konstatiert er.
Christine zum Bruch aus Ennepetal war in ihrem ersten Beruf Werkzeugmacherin und wird deshalb schon mal scherzhaft „Funkenmariechen“ genannt. Die 54-Jährige lacht darüber selbstbewusst. Als Polizistin ist sie ihren Weg gegangen. Ihr achtjähriger Malinois heißt Schimanski wie der einstige Tatortstar Götz George. „Schimmi“ wurde vom Schutzhund zum Mantrailer umgeschult. „Eigentlich ist er ziemlich scharf. Aber das legt sich sofort, wenn das Geschirr umgelegt ist. Er bleibt selbst dann ruhig, wenn eine Person hysterisch ist. “
Leben zu retten, macht Christine zum Bruch glücklich. Sie erwähnt ein Erlebnis in Duisburg, wo sie „einen älteren dementen Herrn“ nach einer siebenstündigen Suche hinter Gerümpel, Brennnesseln und Sandhaufen aufstöbern konnte. „Ohne den Hund hätte ich ihn nie gefunden. Der Mann konnte sich erholen.“
Auch die anderen erzählen zu Herzen gehende Geschichten von verwirrten Personen, die sich verirrt hatten und dann irgendwo erschöpft liegen geblieben sind. Viele wurden selbst bei bitterer Kälte oder strömendem Regen gerettet. „Wir bekommen immer wieder Briefe von Angehörigen, die sich dafür bedanken, dass wir das Leben der geliebten Menschen erhalten haben“, stellt Martin Stroop resümierend fest. „Und wenn wir zu spät kommen, tröstet es doch ein wenig, dass die Ungewissheit vorbei ist.“