Mitte der 1990er Jahre blickten die Polizistinnen und Polizisten in NRW auf ein ungewohntes Szenario: Ein Einsatz stand bevor – und das nicht etwa in einem Nachbarbundesland, sondern in Bosnien-Herzegowina, einem Land, das nach dem Krieg von tiefen Spannungen geprägt war.
In der geteilten Stadt Mostar, wo verfeindete Volksgruppen einander kaum noch vertrauten, sollten die Einsatzkräfte nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern auch Brücken zwischen den Menschen bauen. Es war ein historisches Projekt, das nach Mut und Fingerspitzengefühl verlangte.
Später erinnerte sich ein Missionar der ersten Stunde, dass er keine Ahnung gehabt habe, was ihn genau erwarten würde: „Meine damaligen Kolleginnen und Kollegen haben mich jedenfalls für verrückt erklärt.“ Wenngleich die Situation in der völlig zerstörten Stadt zunächst ernüchtern gewirkt habe, habe man schon nach zwei Jahren dramatische Fortschritte erkennen können.
Damals koordinierte die Westeuropäische Union die Mission – ein militärischer Pakt, der mittlerweile nicht mehr existiert. Die Erfahrung aus Mostar legte jedoch den Grundstein für das, was heute als Routine gilt: Auslandseinsätze, die auf Zusammenarbeit und Vertrauen setzen
Internationale Polizeimissionen: Von Bosnien in die Welt
Seit dem ersten Einsatz hat sich viel verändert: Heute ist die Polizei NRW an mehreren internationalen Missionen beteiligt, von der Ukraine bis Somalia. Der Fokus liegt auf Unterstützung vor Ort: ‚Peace-Keeping‘ statt ‚Peace-Enforcement‘, also weg von der Erzwingung des Friedens, hin zu dessen Erhaltung.
Zu den herausragenden Ausnahmen zählt die Kosovo-Mission, bei der deutsche Polizisten einst mit einem sogenannten „Exekutiv-Mandat“ ausgestattet waren und so vor Ort mit polizeilichen Befugnissen agierten. Später wandelte sich die Aufgabe: Konfliktprävention, Schulungen und Beratung traten in den Vordergrund.
Ein Netzwerk für die Zukunft
Die Einsätze haben die Polizei NRW längst zu einem globalen Akteur gemacht. Polizistinnen und Polizisten aus dem Bundesland besetzen wichtige Positionen in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der europäischen Grenzschutzagentur Frontex.
2021 schrieb eine Kollegin aus NRW Geschichte, als sie als erste deutsche Polizistin überhaupt einen mehrjährigen Einsatz bei der EU-Grenzschutzagentur antrat. Auch kurze Frontex-Einsätze von zwei Monaten bleiben jedoch weiterhin möglich – ein Modell, das sich anhaltender Beliebtheit erfreut.
LAFP NRW entwickelt neue Wege der Vorbereitung
Die Auslandseinsätze haben auch die Strukturen in NRW geprägt. In den Anfangsjahren waren die Vorbereitungen von großem Engagement und viel Improvisation geprägt. Heute wird die Fortbildung auf einem anerkannt professionellen Niveau durchgeführt, wobei weiterhin Leidenschaft und Hingabe eine zentrale Rolle spielen. Drei Trainingszentren – in Brühl, Lübeck und Böblingen – bereiten die Einsatzkräfte auf ihre Aufgaben vor.
Das Dezernat für Auslandsverwendungen der Polizei NRW (Dezernat 13) beim LAFP NRW in Brühl spielt dabei eine Schlüsselrolle: Hier werden speziell die Einsätze in Georgien, Armenien, dem Kosovo und Südsudan vorbereitet. 2009 wurde das Trainingszentrum von den Vereinten Nationen zertifiziert, 2012 folgte eine Auszeichnung der EU – diese Kombination war damals weltweit einzigartig. Seither werden die Zertifikate oder deren Nachfolger regelmäßig erneuert.
Aktuelle Anerkennung über die Grenzen hinaus
Die Expertise des Dezernats wird auch international geschätzt. Regelmäßig werden Kolleginnen und Kollegen aus den Benelux-Staaten oder Tschechien in Brühl ausgebildet. Darüber hinaus gab es zuletzt Einsätze in Griechenland, Ruanda und der Elfenbeinküste, bei denen NRW-Polizistinnen und Polizisten ihr Wissen in Führungs- und Spezialisierungs- Trainings oder Trainerqualifikationen weitergaben.
Deutliche Spuren hinterließ das LAFP NRW 2024 in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Das Dezernat 13 entwickelte einen Online-Kurs zur Trainerausbildung. Dieser wurde noch im gleichen Jahr als EU-Standard akzeptiert und verabschiedet.
Ein weiteres Highlight: 2024 wurde in Brühl ein UN-Seminar zum Thema Kinderschutz ausgerichtet, an dem Teilnehmer aus 18 Nationen teilnahmen, darunter aus Fidschi und Nepal. Im Jahr zuvor diente das Gelände als Schauplatz für eine großangelegte Übung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Bekämpfung von Menschenschmuggel. Beide Organisationen planen, ihre Zusammenarbeit mit dem Dezernat zu wiederholen.
Ein Blick nach vorn
Die aktuelle weltpolitische Lage deutet darauf hin, dass die Nachfrage nach internationalen Polizeimissionen weiter steigen wird. Auch für das Dezernat 13 des LAFP NRW werden sich mittelfristig neue Aufgaben ergeben.
Nach einer Generation im Ausland hat die Polizei NRW nicht nur ihre Position gefunden – sie gibt vielfach den Takt an. Wo sie einst klein begann, steht sie heute als selbstbewusste Akteurin in einer vernetzten Welt bereit, die kommenden Herausforderungen zu meistern.